Samstag, September 30, 2006

Die Rache ist sein


Auf der Charles Bronson Fanpage befindet sich unter den Downloads (Direkverlinkung war leider nicht möglich) die inoffizielle Weiterführung der legendären Vigilantenreihe um Charles Bronson. DEATH WISH 666 - DAS ROTE IM BLUT ist der vielleicht definitiv letzte Death Wish-Film und präsentiert ein gigantisches Staraufgebot: Charles Bronson, Clint Eastwood, das A-Team und last but not least Al Pacino in einer Gastrolle. Da bleibt kein Einschussloch trocken.

Donnerstag, September 21, 2006

Die Banalität des Blöden

Macho Man
Deutschland 1984
Regie & Drehbuch: Alexander Titus Benda, Kamera: Adi Gürtner, Klaus Werner, Musik: Michael Landau
Darsteller: René Weller (Dany Wagner), Peter Althof (Andreas), Bea Fiedler (Sandra Petersen), Jacqueline Elber (Lisa), Michael Messing (Markus), Horst Schreiner (Doktor)

Synopsis: Nürnberg Drug City. Der Boxweltmeister Dany kommt der drallen Blondine Sandra gerade noch rechtzeitig zur Hilfe, bevor ihr drei Ganoven aus Rache auf offener Straße einen Druck setzen können. Sandra hatte vor kurzem ihre Freundin aus den gierigen Klauen der Drogenmafia befreit. Doch die Freude über die Rettung durch Sunnyboy Dany währt nur kurz, denn die besagte Freundin wird am nächsten Tag tot aufgefunden, die fränkische Metropole scheint dem endgültigen Verfall geweiht. Gott sei Dank trifft Dany bei einem Banküberfall auf seinen Bruder im Geiste, Karate-As Andreas. Und nachdem die beiden Titanen ihr Revier abgesteckt haben – Dany kriegt Sandra, Andreas die neureiche Lisa –, beschließen sie, ihren Größenwahn und ihre Selbstverliebtheit produktiv zu kompensieren und die Straßen des Molochs Nürnberg endgültig von der miesen Drogenbrut zu befreien.

DER AUSSENSEITER: MACHO MAN hätte ein ungemein wichtiger Film, nicht nur im fränkischen bzw. deutschen Raum sein können, nein, er hätte sich als einer der wichtigeren Kulturbeiträge des postmodernen Diskurses empfehlen können. Eine völlige neue Genrebezeichnung wäre denkbar gewesen, die in diesem Film dann tatsächlich nicht nur im übertragenen, sondern im Wortsinne als terminus technicus sinnvoll gewesen wäre: der Proletenfilm.

FUNKHUNDD: Immerhin ist MACHO MAN bzw. HARTE FÄUSTE einer von wenigen deutschen Versuchen aus den Achtzigern, einen waschechten Actionfilm zu machen. Es gibt einige typische Zutaten: einen Selbstjustizplot und zwei Darsteller, die sich durch ihre sportlichen Erfolge für Superheldentaten qualifizieren. Leider sind in MACHO MAN außer diesem großen Besetzungscoup nur wenig mehr Ideen eingeflossen. Die Story ist eigentlich noch nicht mal als Plot zu bezeichnen, einen durchgehenden Spannungsaufbau gibt es nicht und filmisch ist das alles mit „bieder“ noch überbewertet. Dafür bekommt man einen mehr als provinziell anmutenden Ultrabaddie, der aber in der Sparte „Deutscher Boxerfilm“ absolut einzigartig sein dürfte.


A: „Von Inkompetenten, für Inkompetente“ ist dann auch die Losung, unter der man den Film goutieren kann. Bei der gesamten Gestaltung von Bild und Ton als künstlerischer Einheit, den schauspielerischen Leistungen und der Botschaft, die transportiert werden soll, lässt sich die Fremdscham kaum vermeiden. Sehen wir uns MACHO MAN an, dann sehen wir einen stinkenden, völlig heruntergekommenen Obdachlosen, der irgendwie zu Geld gekommen ist und nun in einem piekfeinen Restaurant verzweifelt versucht „einen auf dicke Hose zu machen“. Es kann nicht funktionieren.

FH: Toller Hinweis von dir! Den Eindruck, den Brian De Palma in der großen Szene aus SCARFACE – Tony Montana beschimpft die empört herumsitzenden Snobs in einem piekfeinen Restaurant – in wenigen Minuten entwickelt, dehnt Benda auf Spielfilmlänge. MACHO MAN weiß dann auch über den immensen Trashfaktor hinaus vor allem dann zu überzeugen, wenn man sich das Milieu vor Augen führt, in dem die naive Selbstjustizmär angesiedelt ist. Wie in dem zuletzt vorgestellten HELDEN USA hat sich bei MACHO MAN niemand die Mühe gemacht, die reaktionäre Geisteshaltung irgendwie zu verbergen. In dem bedingungslosen Glauben, zur guten Seite zu gehören, lassen Weller und Althof jegliche Zurückhaltung fahren.

A: Schon im Kampf zu Beginn können wir erkennen, welch Geistes Kind de’ René, Entschuldigung, Dany, is’. Mit prolligen Rummelboxermanieren versucht er seinen Gegner geschickt aus dem Konzept zu bringen und auch ansonsten legt er eine ungeheuer grazile Kampweise an den Tag, die uns den gewieften Taktiker und gnadenlosen Fighter in all seiner körperlich ausdefinierten Pracht vorführt. Die Musik von Michael Landau, einer der wenigen am Film Beteiligten, die sich nach der Produktion nicht sofort entsetzt vom Medium Film abwandten und in Mittelamerika Anschluss zu einer Christussekte suchten, fetzt uns ordentlich was weg, dass der Casio-Synthie nur so geraucht haben wird. Ökonomisch, aber gleichzeitig raffiniert in seiner Konzeption, verwendet der Regisseur für den Vorspann Filmausschnitte, die wir später nochmals zu sehen bekommen, um uns auf das Künftige einzustellen. Im Grunde ein genialer Clou, denn wer jetzt noch im Kino sitzen bleibt, der gehört zu den Härtesten der Harten.

FH: Jau, sogar das Schlussbild bekommt man vorverabreicht. Damit dreht Benda allen Spoiler-Verächtern eine lange Nase: Die Helden werden überleben, die schnieken Ischen abgreifen und Dany wird dazu einen gelben Overall vorführen. MACHO MAN ist eine reine Selbstdarstellungsplattform für die narzisstische Verblendung Wellers und Althofs. Der Vater des Letztgenannten hat den Film dann auch mitfinanziert und sich in einer kleinen Nebenrolle verewigt. Beide halten sich für absolut unwiderstehlich, talentiert und erfolgreich und offensichtlich glaubten sie daran, eine Art Vorbildfunktion übernehmen zu können. Die Darstellung der beiden outet sie aber vielmehr als Proleten, Chauvis und außerdem als absolut untalentierte Schauspieler und gibt sie so vollends der Lächerlichkeit preis. In einem anderen Film wären der schnurrbärtige Boxprolet Dany ideales Schurkenmaterial, das von einem echten Helden so beherzt aus der Stone-Washed-Jeans gedroschen würde, dass nur noch die Wildledercowboystiefel zurückblieben. Nie lagen Gut und Böse so eng beieinander ...

A: Danys Rettungsaktion am Anfang zeigt ihn in allen Belangen als Weltmann. Mehr an die Karikatur eines Storches erinnernd, stakst er in seinen Stretchjeans durch die Nacht und haut mal eben die drei Typen zusammen, die de’ Sandra an’ne Wäsche wollen. Die zeigt sich erkenntlich, indem sie, eben noch dem Tode nahe und völlig aufgelöst, große Lust hat, sich von ihm in die Disco einladen zu lassen, damit er sie mit seinem Schnauzer ordentlich glattbürsten kann. Wellis Schnauzer macht dann auch immer mal wieder einige Wandlungen durch, von ausgedünnt über buschig bis Walross, aber nicht immer in dieser Reihenfolge. Die Vertonung der Prügeleien erinnert an die guten, alten Shaw Brothers Klassiker, wo Schläge krachen wie eine Massenkarambolage auf der A3 und 2cl Schnaps noch wie 10 Liter Milch plätschern. Sandra hingegen, von Ex-Playmate Bea Fiedler gegeben, könnte blöder, aber auch draller gar nicht sein und so heißt für sie die Devise: Vögeln, was kommt.

FH: Ja, die Frauen in MACHO MAN ... Im Traum habe ich schon Abhandlungen über die „Rolle der Frau“ im überschaubaren Gesamtwerk Bendas geschrieben. Wie auch Dany und Andreas zwei Supertypen sein sollen, die sie ganz augenscheinlich nicht sind, werden diese beiden Friseusen als echte Klassefrauen angepriesen. Bea Fiedler, Dyanne Thorne in ihren männlich-herben Gesichtszügen nicht ganz unähnlich, ist dabei die Gutbürgerliche, die als Arzthelferin mit beiden Beinen fest im Leben steht und einfach ein fesches Maderl ist.

A: Es hätte mich gar nicht mal so wenig gefreut, wenn sie auch fest mit beiden Beinen auf dem Weller gestanden hätte.

FH: Sie ist beim handfesten Dany natürlich gut aufgehoben und kann sich ordentlich die Hupen einseifen, während der Dany die Brötchen auf den Tisch räumt (= progressives Rollenverständnis). Ihre Konkurrentin Lisa hingegen ist mehr so die kultivierte Luxusbiene, die mal eben für den Sportunterricht die Cessna aus der Garage holt und folglich auch dem erfolgreichen Jungunternehmer Andreas verfällt, der etwas mehr nach „großer, weiter Welt“ aussieht, was aus Nürnberger Perspektive wahrscheinlich bedeutet, dass er es auch in Augsburg zu was bringen könnte. Untrügliches Zeichen für seine polyglotte Ader ist die Koreaflagge, die am Kopfende seines Bettes hängt und wahrscheinlich das pubertäre Ferrariposter verdrängt hat.

A: Peter Althof schafft es, sich in seiner Rolle noch eine Spur wichtiger als de’ René zu nehmen, da er sich als unschlagbarer Karatechampion mit einer Karatschule, die offensichtlich im gleichen Raum mit der örtlichen Kegelbahn untergebracht ist, erst noch beim Zuschauer anbiedern muss. Er konnte halt nicht wie de’ René den Weltmeistertitel des völlig unbedeutenden Boxsportverbandes WAA vorweisen.

FH: Und er besitzt nicht das geringste Bewegungstalent. Gegen ihn hat selbst so eine Kartoffel wie Gary Daniels noch pantherhafte Grazie.

A: Ja, als er beim Trainingskampf mit Jimmy leicht gegen einen Pfeiler prallt, muss er erst mal mit dem RTW – hätte die Kohle für einen Hubschrauber gereicht, dann hätte man wohl den genommen – ins Krankenhaus gebracht werden, zwecks Notoperation. Sein dort behandelnder Arzt sieht dann auch aus als wäre er zu lange Fan von Insterburg & Co. gewesen und würde sich abends seine Kinderpornos reinziehen.

FH: Der Doktor ist für mich – neben Faktotum Markus – der heimliche Star des Films. Er wird mit „Du, Doktor“ angesprochen und gern auch mal mit in die Disco genommen, wo er dann, kaum am Tisch der wilden Jungs angekommen, allein zurückgelassen wird und erst mal ein Pfeifchen schmaucht. Den Dany hält er für einen „großartigen Sportsmann“, obwohl er ihn kurz zuvor zum ersten Mal gesehen hat. Überhaupt reden die Figuren die ganze Zeit darüber, wie geil denn jetzt der Dany oder der Andreas sind, fast wie in einem Seagal-Film. Aber kein Wunder, der Dany trägt das Herz halt am Revers seiner aufgeplusterten Blousons, die außerdem treffend sein Ego widerspiegeln, ihn aber eher aussehen lassen wie eine magersüchtige Cracknutte.

A: Die Klamotten, die de’ Dany trägt, haben „den schönen René“ offensichtlich Jahre später zu seiner eigenen Kleidermarke inspiriert, dienen heute aber eher nur noch Zuhältern als Kugelfang und können etwas zu klein geratenen Machomännern den Luxus ermöglichen, aufgrund der Backsteine in den Jackenschultern links und rechts im Sonnenstudio die Bank alleine haben zu dürfen.

FH: Aber eigentlich sehen alle einfach nur absurd aus: in die Röhrenjeans gesteckte Pullis mit U-Boot-Kragen, Leggings unterm goldenen Abendkleid, bonbonfarbene Overalls und schmale Lederkrawatten. Hier nähert sich MACHO MAN beinahe dem Horrorfilm an, denn was die Charaktere des Films zur Schau tragen, lässt jede Eighties-Revival-Party vor Neid erblassen. Die Garderobe des Films ist wahrscheinlich nach der letzten Klappe in Containern im Marianengraben versenkt worden, auf dass niemals jemand damit in Verbindung gebracht werden würde.

A: Auch auf Drehbuchebene zeigt Regisseur Alexander Titus (sic) Benda sich auf der Höhe einschlägiger, nie ausgestrahlter Fernsehserien, die in den Archiven der Sender verschimmeln. Die Ereignisse, die dazu führen, dass sowohl Andreas und Sandra als auch Andreas und Lisa als auch Andreas und Dany sich kennen lernen – offensichtlich musste erst Andreas alle kennen lernen –, wirken derart konstruiert, dass sie von jedem Grundschüler durchschaut werden. Der Banküberfall, der von unseren beiden Superrecken verhindert werden kann, bietet bei diesen zufälligen Begegnungen actionmäßig den inszenatorischen Höhepunkt.

FH: Das Actionhighlight des gesamten Films ist natürlich der Kampf zwischen Dany und Andreas: Aber auch der ist so dermaßen langweilig und unästhetisch anzusehen, dass es wehtut ...

A: ... und anscheinend in der Abstellkammer einer Turnhalle gedreht worden.

FH: Das gilt übrigens für alle Schlägereien des Films, die jegliche Choreografie und das Gespür für einen Schnitt, der über ein simples Aneinanderkleben von Zelluloidfetzen hinausgeht, vermissen lassen. Das Erscheinungsbild Nürnbergs trägt aber ebenfalls einiges dazu bei, dass MACHO MAN sich nicht mit den Vorbildern aus Übersee messen lassen kann. Der angesprochene Banküberfall wird auf die Filiale der „Raiffeisenbank Knoblauchsland“ verübt, die heißen Diskotheken, in denen sich Dany und Andreas mit Vorliebe rumtreiben – das „Superfly“ und das „Le Bateau“ –, sehen aus wie die letzten Loddelschuppen.

A: Gefürchtet auch der Tanz, den de’ René zelebriert als er de’ Bea im „Superfly“ beeindrucken möchte. In seinem blauen Ski-Anzug, den heute vorzugsweise die Nutten in der Davidstraße auf St. Pauli tragen, sieht er aus wie der kleine schwule Bruder vom Michelin-Männchen und geht mit vorsichtigen Trippelschritten über die Tanzfläche als wolle er Kaffeebohnen mit den Arschbacken zerreiben. Seine unerschütterliche Hoch-Haar-Frisur zeigt den Hahn mit stolz geschwollenem Kamm.

FH: In der Boxarena, in der eine Geräuschkulisse herrscht wie weiland beim Rumble in the Jungle, treiben sich vielleicht 15 armselige Sozialhilfeempfänger rum, das Geschäftslokal von „City Schuhe“ wird ebenso gefilmt wie der Gebrauchtwagenhandel mit dem falschen Apostroph auf dem Schild und wenn die heiße Lisa aus Düsseldorf am Nürnberger Flughafen landet, weil sich der Ruf von Andreas’ Karateschule im ganzen Land wie ein Lauffeuer verbreitet hat, fährt Markus erstmal an allen fünf Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei. An MACHO MAN zeigt sich recht deutlich, warum Deutschlands Großstädte einfach nicht so ganz das Format haben, den Hintergrund für einen Urban-Crime-Film abzugeben.

A: Zumindest nicht die der Südregion. Es bedürfte in so einem Fall dann aber auch mal eines eigenständigen Versuchs, d. h., dass nicht immer nur amerikanische Vorbilder abgekupfert werden, sondern man ein Drehbuch entwickelt, das an heimische Gefilde angepasst ist und tatsächlich auch Thematiken behandelt, die man als Deutscher nachvollziehen kann. Eine Actionstory? Gerne, aber bitte nicht um zwei grenzdebile Typen, die mit der Drogenmafia aufräumen wollen. Dass René Weller 1999 wegen Kokainhandels, Hehlerei, Anstiftung zur Urkundenfälschung und unerlaubten Waffenbesitzes zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde, zeigt dann noch die Diametralität von Fiktion und Wirklichkeit.

FH: Man könnte endlos weitermachen, die Doofheiten und Verfehlungen des Films aufzuzählen: Andreas’ Lieblingsschüler, der Schwarze Jimmy, hat wohl den hässlichsten Fuß, der je in einem Film abgelichtet wurde; als sich Andreas das Kreuz verrenkt, benutzt sein Doktor zur Diagnose den Reflexhammer und sagt dann: „Zum Glück ist das Rückenmark nicht verletzt.“; auf die Frage, warum Sandra sich einen Boxkampf anschaut, antwortet sie: „Man muss doch wissen was alles passieren kann und warum.“; der an die Wand gemalte Totenkopf in der Dealerhöhle sieht aus wie ein Monchichi; der Urlaubsvorschlag von Dany, wird wirklich SOFORT umgesetzt, die wollen noch nichtmal kurz zum Kacken nach Hause. Bloß schnell weg aus Nürnberg, der Geißel Gottes. Und dann ist da noch das sensationelle Abschlussstandbild: Fertig ist eine deutsche Filmlegende. Dieser Film zeigt deutlich die Grenzen unseres Blogs auf. Wie sagte einst schon René Weller? „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“

Donnerstag, September 14, 2006

Todesgrüße aus Washington

Helden USA (Death before Dishonor)
USA 1986
Regie: Terry Leonard, Drehbuch: John Gatliff, Kamera: Don Burgess, Musik: Brian May, Schnitt: Steve Mirkovich
Darsteller: Fred Dryer (Gunnery Sgt. James „Gunny“ Burns), Joseph Gian (Sgt. Manuel Ramirez), Sasha Mitchell (Ruggieri), Peter Parros (James), Brian Keith (Col. Halloran), Paul Winfield (Ambassador), Joanna Pacula (Elli), Rockne Tarkington (Jihad)

Synopsis: In dem Fantasiestaat Jemal tritt der eisenharte Sergeant Burns seinen Dienst an. In dem Land tobt ein Bürgerkrieg: Mit Palästinensertüchern ausgestattete Terroristen unter der Führung des vollbärtigen Jihad machen der jüdischen Bevölkerung ebenso das Leben zur Hölle wie den zahlreichen dort stationierten amerikanischen Soldaten. Burns tut sich schwer mit der zurückhaltenden Politik seines Botschafters, fordert härteres Durchgreifen gegen die rücksichtslosen Mordbuben. Doch erst als sein Vorgesetzter entführt, einer seiner Jungs ermordet und das Botschaftsgebäude gesprengt wird, darf er das tun was er am besten kann: böse Jungs umlegen ...

DER AUSSENSEITER: HELDEN USA ist ein Musterbeispiel für ein B-Movie, welches wirklich überhaupt keine Eigenarten oder irgendein Profil besitzt. Hier wird im besten Stil eines formula movies einfach nur durchexerziert, was die Actionfilmblaupause in den 1980er-Jahren hergab. Es ist wohl offensichtlich, dass ein Film, der eine derart verlogene, widerliche und heuchlerische Militärmoral zum besten gibt und diese kein Stück kaschiert, nur in den Reaganomics erfolgreich in die Kinos gebracht werden konnte.

FUNKHUNDD: Yes Sir, un-fucking-believable, ganz harter Stuhl, das Teil. HELDEN USA gehört zwar zu den hierzulande eher unbekannteren, kleineren Vertretern der amerikanischen Eighties-Action, vertritt dieses Genre meiner Meinung nach aber fast schon idealtypisch und muss deshalb zur absoluten Speerspitze des erzreaktionären Actionkinos gezählt werden. Was hier für eine Gesinnung zum Ausdruck kommt, dürfte für zarte Gemüter verdammt schwer zu schlucken sein. Und dann wird dieser Streifen auf dem Videocover auch noch als Top-Hit aus den USA angepriesen! HELDEN USA braucht den Vergleich mit solchen Geschossen wie INVASION USA, DIE ROTE FLUT, DEATH WISH 3 - DER RÄCHER VON NEW YORK, RAMBO II – DER AUFTRAG oder DIE CITY COBRA wahrlich nicht zu scheuen.

A: Aber der gravierende Unterschied ist der, dass hier nun überhaupt keine Brechungen mehr stattfinden. Es gibt keinerlei Ironisierung der Thematik. Wo ein Stallone als Marion Cobretti wenigstens noch ein schiefes Lächeln dann und wann einsetzen konnte und Michael Winner ungeschickten Stammtischproletenhumor einbaut, da werden die Marines mit einer humorlosen Inbrunst abgefeiert, dass man nur kotzen kann.

FH: Dabei ist HELDEN USA kein Billigheimer, kein kleiner Quasi-Porno für mordgeile Ex-Soldaten und Rednecks. Der Film hat im Gegenteil einiges an Schauwerten zu bieten, ist an Originalschauplätzen im Nahen Osten gedreht worden, fährt am Ende einige ziemlich gewagte Stunts und dicke Explosionen auf und ist in seinen Action-set-pieces sogar recht beeindruckend. Terry Leonard ist zwar als Regisseur ein relativ unbeschriebenes Blatt, aber trotzdem ein ganz Großer: Er hat als Stuntman, Stunt Coordinator und Second Unit Director bei so ziemlich allen großen Actionproduktionen der letzten 30 Jahre mitgewirkt. Die Liste ist ellenlang und reicht von Klassikern wie Howard Hawks’ EL DORADO oder PLANET DER AFFEN über CONAN, DER BARBAR, STIRB LANGSAM: JETZT ERST RECHT und WILD WILD WEST hin zu ganz aktuellem Kram wie den FAST AND THE FURIOUS-Filmen und THE TRANSPORTER 2. Da wundert es dann nicht, dass es in dieser Hinsicht nix zu meckern gibt.

A: Stimmt, technisch gesehen ist HELDEN USA absolut in Ordnung, auch wenn er mich manchesmal an einen überproduzierten TV-Film erinnert hat. Leonard hat sein Handwerk als Second Unit Director schon gelernt. Ansonsten verlässt er sich auf die Storyline und das Drehbuch von John Gatliff, der – oh Wunder – damit seine einzige Drehbucharbeit abgeliefert hat. Humor darf allenfalls aufkommen, wenn ein Marine beim Combattraining mal die Kehle durchgeschnitten wurde und er dann von seinen Kameraden geneckt wird mit: „Du bist tot, Marine! Du bist tot, Marine, hehehe!“ Flachbacke Peter Parros, den die 80er-Kids wohl noch als Quotenneger R.C. aus KNIGHT RIDER kennen dürften, darf sich dann hier sein Abzeichen verdienen, das ihm herzhaft in die Brust gedroschen wird, wobei man auch gerne mal eine Bierdose zu Hilfe nimmt.

FH: Jau, die „heldenhaften“ Marines! Die kommen eher rüber wie verirrte Ballermann-Touristen. Bei der von dir angesprochenen Szene, dem Initiationsritus für die „Neuen“, Parker und Ruggieri – letzterer kongenial verkörpert von Kickbox-Schunkelbirne Sasha Mitchell –, traut man kaum seinen Augen: Du hast aber vergessen, dass sie vor der Abzeichen-Verleihung von ihrem Ausbilder Burns erst noch gezwungen werden, Bier aus ihrem Helm zu saufen. Naja, zwingen ist gar nicht nötig, die trinken wahrscheinlich gar nicht mehr anders, sie finden dieses autoritäre Imponiergehabe so richtig geil ...

A: Und wie! Der blinde Kadavergehorsam des Militärs, die eindimensionale Sichtweise auf den Konflikt im/mit dem Nahen Osten, die Hauptfigur, die sämtliche Freifahrtscheine in Anspruch nehmen möchte und die gehässigen Terroristen, die Menschen ausschließlich aus Vergnügen und aus keinem anderen Grund foltern, werden nicht auch nur eine Sekunde reflektiert oder aufgehoben. Im Film wird eine völlig unkomplexe Welt geschildert, diese Schilderung aber als absolut zutreffende Zustandsbeschreibung abgefeiert.

FH: Oh ja, ich war auch verdutzt darüber, dass Leonard offensichtlich geglaubt hat, mit seinem Film ein positives Bild des amerikanischen Militärs zu zeichnen. Dabei geht auf inhaltlicher Seite alles daneben, was daneben gehen kann und was formal vielleicht noch gnädig stimmt. Das beginnt schon bei der Hauptfigur: Fred Dryer ist als vermeintlicher Held einfach nur kreuzunsympathisch. Sein Beharren auf einer Zero-Tolerance-Politik und sein blindes Gut-Böse-Denken, mit dem er die Terroristen ohne mit der Wimper zu zucken als tötungswertes Gesindel abstempelt, machen ihn eigentlich zu einer absolut untauglichen Hauptfigur. Selbst ein John Rambo erscheint gegen ihn noch als Menschenfreund und großer Zweifler.

A: Der Lone Ranger Sergeant Burns empfiehlt sich auf etymologischer Ebene und wirkt wie ein Kettenhund, der notdürftig an die Leine gelegt werden muss. Fred Dryer hätte man eher als Bösewicht besetzen können. Da wird dann auch endgültig deutlich, dass Leonard einen Film gedreht hat, der sich nicht darum scheren muss, Identifikationspluspunkte beim Zuschauer zu sammeln. Der Film wird schon die Richtigen erreichen, nach dem Motto „Friss oder Stirb“. Dryer kann auf die Kacke hauen, ohne charismatisch sein zu müssen, denn er ist ein Marine. Das reicht schon aus und genau damit ist seine Figur wohl eine der realistischsten Darstellungen eines Militärangehörigen, noch dazu eines schreienden Unteroffiziers, in der Filmgeschichte. So stell’ ich mir diese Penner vor.

FH: Gerade deshalb möchte ich auch unbedingt deine Eingangsthese, HELDEN USA sei verlogen, relativieren. Man muss ihm beinahe schon zugute halten, dass es kaum einen Film dieser Zeit gibt, der die ihm zugrunde liegende Geisteshaltung so sehr entblößt und – wenn auch unfreiwillig – diffamiert wie dieser. Man muss den Produzenten – unter ihnen etwa Frank Capra jr. – beinahe ein Lob aussprechen, ihre menschenverachtende Gesinnung so unverhohlen zum Ausdruck gebracht zu haben.

A: Im Film wird die samt und sonders verlogene Grundhaltung eben nicht kaschiert und damit ist er dann wieder ehrlich. Er kämpft mit offenem Visier, aber das Gesicht, das wir dahinter sehen, kann einem nicht gefallen. Genauso wenig wie die eindimensionalen Stereotypen, mit denen man in Form der Nebenfiguren versorgt wird. Wieder einmal haben wir eine handlungsunfähige Führungsriege. Botschafter Morgan steht für all die Politiker, die hartes Durchgreifen ablehnen und sich den Vorschlägen des Militärs verweigern. Sie wollen die Lösung mit Diplomatie, aber wie heißt es so schön: „Mit Terroristen kann man nicht verhandeln!“. Morgan, der von Paul Winfield gespielt wird, steht ähnlich wie wir es schon in NIGHT HUNTER gesehen haben, für eine neue Generation Farbiger, die in Führungspositionen gelangen können, sofern sie sich dem weißen american way of life unterordnen. Wesentlich schlimmer ist natürlich die Zeichnung der Antagonisten, die entweder aus Parolen dreschenden Dschihad-Kämpfern oder opportunistischen Söldner-Terroristen bestehen. Das der Ober-Chef dann auch noch tatsächlich „Jihad“ heißt, erweckt den Eindruck, als wäre dies das einzige arabische Wort, das die Macher kannten.

FH: Ja, zwischen all den Klischeefiguren gewinnt der kruppstählerne Sergeant Burns schon fast einen Realitätspreis: Botschafter Morgan hat mich sehr an Murray Hamiltons Bürgermeister in DER WEISSE HAI erinnert. Erst verweigert er sich den „vernünftigen“ Argumenten Burns’ und besteht auf dem „weichen“ politischen Kurs. Als er die Rechnung dann in Form eines Attentats erhält, wankt er blutüberströmt und benommen durch die Trümmer und weiß nicht mehr wo oben und unten ist, während der toughe Burns angesichts von Leichen- und Trümmerbergen richtig aufzublühen scheint und direkt weiß, wo’s langgeht. Und die Journalistin Elli ist natürlich eine politisch bewegte Menschenrechtlerin, die bemüht ist, ein differenziertes Bild der Lage zu vermitteln. Diese Gesinnung geht in HELDEN USA aber mit der Komplizenschaft mit den Terroristen einher: Wer nicht rundheraus gegen diese ist, ist eigentlich schon ein Mittäter. Natürlich ist Elli immer in der Journalistenuniform bestehend aus Jeanshemd und Hot Pants unterwegs, wenn sie sich in ihrem Hotelzimmer nicht im Bett herumräkelt.

A: Und bei der Zeichnung der Terroristen zeigt sich mal wieder, dass sich unser Kulturkreis bei Betrachtung eines Anderen von seiner Arroganz und Borniertheit nicht befreien kann. Den Motiven und Intentionen der arabischen Welt werden nebenbei immer noch die kapitalistisch, ent-spiritualisierten und unreligiösen Elemente unserer Gesellschaft unterstellt. Araber wollen sich eigentlich nur in die Luft sprengen, weil sie nach Anerkennung streben oder leicht steuerbar sind. An einem Film wie HELDEN USA, der vor dem 11.09.2001 gedreht wurde, aber aktueller denn je erscheint, wird das Grundproblem, das die christliche und die muslimische Welt miteinander haben, offensichtlich. Die westliche Denke ist einfach nicht in der Lage, die andere Kultur zu verstehen, wenn sie ihr Verständnis von Feindbildern den anderen überstülpt. Das völlige Unvermögen, die arabische Welt, außer in zweit- und drittklassigen Klischees, differenziert abzubilden, entlarvt eine sich überlegen fühlende Gesellschaft, die in spekulativen Schundprodukten einem dekadenten Geist frönt. Die wenigen Aspekte, die tatsächlich reale Problematiken zwischen arabischer und christlicher Welt aufdecken, wie z. B. die ewige Kränkung der Araber durch das barbarische Christentum, welches sich vor einem knappen Jahrtausend reichhaltig bei den kulturellen Errungenschaften dieser Zivilisation bedient hatte, werden wiederum nur für eine primitive Schwarzweiß-Malerei instrumentalisiert.

FH: Vielleicht ist der Nahe Osten als Schauplatz auch deshalb so unterrepräsentiert im US-Actionkino der Achtziger. Wahrscheinlich war es einfacher mit Vietnam-Nachtretern auf Revisionismus zu machen, als sich mit einem Film in einen noch bestehenden Konflikt einzuschalten, der sich auch noch als relativ undurchschaubar und kompliziert darstellte. Diese Unsicherheit zeigt sich ja nicht zuletzt darin, dass man erst einen Fantasiestaat errichten musste, um die ansonsten kaum verhohlene Stoßrichtung des Filmes notdürftig zu kaschieren – Vietnam ist im US-Kino mit Ausnahme von Altmans M.A.S.H. immer Vietnam gewesen. Auch hier sprechen Palästinensertücher, jüdische Mordopfer und der Arafat-Verschnitt Jihad eine ziemlich deutliche Sprache. Die Botschaft des Films lässt sich nur als Aufforderung zu einem offenen Kampfeinsatz lesen: Die Araber sind mordgeile Fanatiker, die nicht aufhören zu töten, bevor sie entweder gewonnen oder ins Gras gebissen haben.

A: Ein sehr streitbarer, aber m. M. nach nicht abwegiger Punkt ist der, dass der arabischen Welt durch uns ein System vorgelebt wird, welches dekadent seinen eigenen Gott verlachen kann und dem Individuum ein Denkmal setzt. Trotzdem existieren wir weiter und zerfallen nicht zu Staub. In unserer Selbstherrlichkeit nehmen wir wiederum an, dass die arabische Welt sich nichts sehnlicher wünscht, als unserem „Ideal“ zu entsprechen. Dieser kulturhistorisch schwierige Punkt wird vom Film in typisch amerikanischer Weise mal wieder so thematisiert, das die christliche Lebensweise – aber eigentlich nur das amerikanische Verständnis von dieser – in den Nahen Osten mit aller Gewalt eingeprügelt werden muss.

FH: Ja, über die Motive für die Zustände in Jemal erfährt man nix, die Terroristen werden gleich beim ersten Auftreten als unmotivierte Judenmörder eingeführt. Um mal zu etwas anderem zu kommen: HELDEN USA ist ein gutes Beispiel für den damaligen Trend, die amerikanische Armee als verwegenen Haufen verrückter Himmelhunde darzustellen und potenziellen Rekruten als Arbeitgeber schmackhaft zu machen. Man denke nur an TOP GUN, der ja zu einem nicht unerheblichen Teil von der US-Army mitfinanziert wurde und nichts anderes als eine neunzigminütige Imagewerbung ist. Das chauvinistische Geprolle soll lustig, locker und sympathisch rüberkommen, tatsächlich erschüttert es jedoch, zu sehen, was für ein Gesocks da mit Waffen rumrennen und den dicken Maxe machen darf. Man kann sich kaum vorstellen, dass das früher einmal funktioniert hat. Die zum Ausdruck gebrachte Gesinnung ist einfach nur ekelhaft.

A: Die Phrase „Werbefilm für die Army“ – eigentlich ja aber Marines – ist hier wirklich mal korrekt gewählt. Es sind sämtliche Generationen aus den vergangenen amerikanischen Kriegen vertreten. Da haben wir den altgedienten Colonel Halloran, der schon im zweiten Weltkrieg und Korea dabei war, sowie Sergeant Burns, der, wie es von Halloran stolz formuliert wird, von Beginn des amerikanischen Einsatzes in Vietnam, bis zum Abzug dabei gewesen ist. Die ganzen neuen, jungen Rekruten sind das Pin-up-Frischfleisch, das frohen Mutes für Reagan eine neue Diktatur in Südamerika stürzen darf.

FH: Die Army wird so richtig schön als Ersatzfamilie eingeführt, wo der väterliche Burns seinen Söhnen dann gegebenenfalls auch höchstpersönlich mit Trauermiene das letzte Geleit gibt. Noch lustiger geht es aber bei den Terroristen zu, denn die haben einen eigenen Spielplatz, auf dem sie herumtollen können: Auf einem Turnhallen-großen Gelände tummeln sie sich – allesamt mit Palli-Tüchern – an verschiedenen Stationen. Eine Station nennt sich wohl „Hinter Säcken stehen“, denn der dort übende Terrorist macht nichts anderes als hinter einem Haufen Sandsäcken mit dem Gewehr im Anschlag zu posieren. Ja, auch in Deckung zu gehen will geübt sein.

A: Auch nicht schlecht das heiße Ausbildungslager, bestehend aus zwei Tapeziertischen, wo ein Trainer verschiedene Kriegsutensilien hochhält, wie z. b. eine Handgranate und die ganze Klasse im Chor „Handgranate“ mitbrüllt.

FH: Das kommt im O-Ton nicht ganz so blöd, weil sie dort „Plastic“ für Plastiksprengstoff gröhlen müssen. Aber gestern ist mir noch aufgefallen, dass die obligatorische Hantel, die einer im Hintergrund hochwuchten muss, von seinem Hintermann beim Wechsel ganz lässig mit einer Hand festgehalten wird. Da scheint jemand enormen Trainingsrückstand zu haben! Das alles macht HELDEN USA für mich nach einigem Grübeln zum absoluten Pflichtprogramm, wenn man sich für dieses Genre interessiert. Der ganze Film ist einfach nur krass, wenn er auch weit davon entfernt ist, irgendwelche echten Meriten zu haben.

Donnerstag, September 07, 2006

Zwei Himmelhunde schauen über'n Tellerrand

In den letzten Wochen gab es immer wieder freundliche Anfragen nach Filmen, die aus unserem ursprünglichen Konzept – US-Action der Achtziger – herausfallen. Lange haben wir uns vor der Erfüllung dieser Wünsche gesträubt, nun werden wir uns ihnen beugen: Nicht nur, weil auch menschliche Dampframmen wie wir sich dem Servicegedanken nicht ewig verschließen können, sondern auch, weil uns unser aufklärerischer Auftrag geradezu dazu zwingt, unsere Scheuklappen abzulegen. Wie soll man den amerikanischen Achtziger-Actionfilm auch begreifen, wenn man nicht weiß wie er sich von Vertretern aus anderen Ländern und anderen Epochen unterscheidet? Zum ERSTEN MAL, quasi in einer spektakulären WELTPREMIERE gibt es bei uns in den nächsten Wochen den Blick hinter den amerikanischen Horizont. Wir widmen uns dem kurzlebigen Genre "Deutsche Boxerdramen mit Rene Weller", dem französischen Superbullenfilm mit Gurkennase und, um den Brückenschlag in die Zukunft zu schaffen, dem Amikracher aus den späten Neunzigern mit Gütesiegel "Schlimm asozial". Folgende fulminanten Schwartenkracher erwarten euch also in den nächsten Wochen:



Es gibt Reis, Baby!

Wenn er in die Hölle will, lass ihn gehen (The Challenge)
USA 1982
Regie: John Frankenheimer, Drehbuch: John Sayles, Richard Maxwell, Kamera: Kozo Okazaki, Musik: Jerry Goldsmith, Schnitt: John W. Wheeler, Martial Arts Coordinator: Steven Seagal (!)
Darsteller: Scott Glenn (Rick), Toshiro Mifune (Toru Yoshida), Donna Kai Benz (Akiko Yoshida), Atsuo Nakamura (Hideo Yoshida), Calvin Jung (Ando), Clyde Kusatsu (Go)

Synopsis: Der Amerikaner Rick wird von einem japanischen Geschwisterpaar engagiert, ein wertvolles Familienerbstück – ein Samuraischwert – nach Japan zu überführen. Das Schwert ist Gegenstand eines jahrzehntelangen Bruderstreits zwischen dem Vater der Geschwister, Toru, einem den alten japanischen Traditionen verpflichteten Schwertkämpfer, und Hideo, einem gewissenlosen Großkapitalisten. In Japan angekommen, wird Rick sogleich von den Schergen Hideos überfallen, die ihn ihrerseits beauftragen, ihnen das Schwert zu beschaffen. Rick muss sich für eine Seite entscheiden ...


DER AUSSENSEITER: Tja, da hab’ ich ihn nun endlich gesehen, diesen von mir schon seit fast zwei Jahrzehnten erwarteten Film und dann war die Enttäuschung so groß als hätte ich beim Vortasten zum Allerheiligsten der Weiblichkeit plötzlich das Skrotum in Händen. Als ich merkte, dass die Sichtung nicht so gut lief, schaltete ich nach einer Stunde aus und sah mir den Film etwas später noch einmal vollständig an, um ihn mir nicht zu verderben und ihm eine erneute Chance zu geben. Resultat: Öde!

FUNKHUNDD: „Außenseiter, der Filmvernichter!“ – Ich finde, du gehst mit dem Film etwas zu hart ins Gericht. Naja, bei der immensen Erwartungshaltung hätte es wohl selbst ein Film vom Kaliber eines 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM schwer. Aber es stimmt schon, WENN ER IN DIE HÖLLE WILL, LASS IHN GEHEN ist nicht gerade ein Meisterwerk. Aber lass uns trotzdem mal von vorn anfangen. Der Film entspringt recht offensichtlich dem Japan-Hype der Achtziger, Parallelen zu SHOGUN sind jedenfalls unübersehbar. Der Epik dieser Miniserie setzt Frankenheimer aber einen ziemlich reduzierten und zugegebenermaßen klischeehaften Actionplot entgegen, der einem noch einmal vergegenwärtigt, welchen Abstieg Frankenheimer in den späten Siebzigern und Achtzigern hingelegt hat. Dennoch halte ich WENN ER IN DIE HÖLLE WILL, LASS IHN GEHEN für einen sehenswerten und leider völlig vergessenen Actionfilm der Achtziger – nicht nur wegen des absolut großartigen deutschen Titels.

A: Genau dieser Titel ist es, der einen den Film nicht vergessen lässt, auch wenn er völlig unsinnig ist und inhaltlich keinerlei Entsprechung findet. Denn auch wenn Rick durch eine harte Schule gehen muss, so wird uns die japanische Welt zwar zunächst als fremd gezeigt, aber dann doch immer nachvollziehbarer gestaltet. Ehre, Pflicht, Loyalität sind die großen Werte, die Rick in seiner westlichen Borniertheit erstmal begreifen muss. Die Epik, die Frankenheimer mit dieser dürftigen Regiearbeit angestrebt hat, wird bereits im Vorspann deutlich. Die westliche Kalligrafie und die Historizität andeutenden Zeichnungen stehen für die Größe der Geschichte und bilden eine Art Einführung. Der harte transsequenzielle Schnitt aus dem Japan der 1940er in die Vereinigten Staaten von Amerika des Jahres 1982 lässt die Welten aufeinanderprallen.

FH: Dieser Zusammenprall ist dann auch das wesentliche inhaltliche Strukturelement des Filmes. Es geht nicht zuletzt um den Kontrast zwischen den USA und Japan und den Kulturschock des Protagonisten. Diese Plotkonstruktion ist seit den Achtzigern vor allem für Buddy Movies verwendet worden, man denke nur an den hier schon besprochenen RED HEAT oder etwa an RUSH HOUR. Im Gegensatz zu diesen kommt WENN ER IN DIE HÖLLE WILL ... aber völlig ohne Humor aus. Frankenheimers Film ist erstaunlich düster und ernst, wo man vielleicht eher comichafte Stilisierung erwartet hätte. Diese düstere Grundstimmung gereicht dem Film leider nicht immer zum Vorteil. WENN ER IN DIE HÖLLE WILL ... ist in vielerlei Hinsicht ein Kind der Siebziger, wovon auch der bombastische Orchesterscore von Jerry Goldsmith zeugt, der mit den für das Jahrzehnt typischen Synthiescores so gar nix am Hut hat.

A: Yepp, aber so was von! Genau wie bei VIGILANTE spürt man hier noch den Geist der vorangegangenen Dekade, den man versucht hat ins neue Jahrzehnt zu implementieren. Diese düstere Stimmung will jedoch nicht funktionieren, da ihr die Richtung fehlt. Frankenheimer ist nicht in der Lage, die Geschichte und den Zuschauer kontinuierlich zu führen. Zu viele Ungereimtheiten gibt es und zu ungelenk wirkt das Ganze. Dabei hätte man mit Scott Glenn einen exzellenten Hauptdarsteller gehabt. Zurechtgemacht wie der Halbbruder von David Carradine, hat seine Figur die entsprechende Söldnerseele, die den Weg des Samurai erlernen muss. Genauso wie der junge Frank Dux (siehe BLOODSPORT) hat er die innere Reinheit dafür.

FH: Was man dem Film zugestehen muss, ist, dass ihm ein recht facettenreiches und gut konstruiertes Script zugrunde liegt, das von Drehbuchgott John Sayles stammt. Seinen Co-Autor lasse ich hier mal weg, weil er mir nicht ins Konzept passt. Sayles griff z. B. für PIRANHA, DAS TIER, MEN OF WAR und aktuell JURASSIC PARK IV zur Feder und inszenierte u. a. die wunderbaren LONE STAR und WENN DER NEBEL SICH LICHTET. Ihm ist es zu verdanken, dass WENN ER IN DIE HÖLLE WILL ... nicht von dem für die Achtziger üblichen anti-japanischen Ton durchzogen ist, auch wenn die an INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES erinnernde Dinnerszene, in der lebendes Kroppzeuch aufgetischt wird, durchaus in diese Richtung gedeutet werden kann. In den Achtzigern kam ja vor allem in den USA die Angst auf, dass die Japaner ihnen wirtschaftlich den Rang ablaufen könnten, zahlreiche Filme propagierten das Bild der disziplinierten, selbstvergessenen und demütigen Arbeitsmaschinen aus Fernost, die die im Westen hoch gehaltenen Werte der Individualität missachteten. In WENN ER IN DIE HÖLLE WILL ... finden sich nur Spurenelemente dieser Sichtweise. Mehr noch: Hideo, der eben diesen japanischen Gung-Ho-Kapitalismus vertritt, wird auch aus japanischer Sicht zum Schurken gemacht.

A: Ja, hier prallen die Werte des klassischen Nippon und des modernen Japans aufeinander. Der ehrwürdige Toru, gespielt vom König des Samuraifilms Toshiro Mifune, lebt mit seiner Gefolgschaft noch in einem anderen Jahrhundert und hat mit dem modern-kapitalistischen Japan gar nichts am Hut. Es fällt sogar explizit die Dialogzeile, dass Toru Yoshida sich von dieser Welt abwenden möchte, was auch als völliges Unvermögen, sich mit Realitäten auseinanderzusetzen, gedeutet werden kann. Der Eskapismus des alten Nippons, bloß nichts Kulturfremdes eindringen zu lassen, hat nicht zuletzt den Untergang dieser Gesellschaft heraufbeschworen. Das Gelage, bei dem allerhand lebendes Getier verschlungen wird, hat somit weniger etwas Denunzierendes, sondern zeigt die hermetisch abgeriegelte Welt, die uns allenfalls fremdartig erscheint.

FH: Absolut richtig. Sayles’ Drehbuch doppelt nämlich den erwähnten Zusammenprall der Gegensätze: Da ist zum einen eben der Konflikt zwischen Japan und den USA, zum anderen der Konflikt zwischen dem alten und dem neuen Japan. Ersteres Handlungselement tritt gegenüber letzterem weit in den Hintergrund, denn erstens spielt der Film fast ausschließlich in Japan und zweitens gibt es auch nur einen Amerikaner im Film. Und der ist wiederum weit davon entfernt, ein typischer US-Boy zu sein.

A: Der Konflikt ist somit mehr ein innerjapanischer, nämlich der zwischen Torus Nippon und Hideos Japan, dem modernen, in den 1960er Jahren auf dem Weltmarkt aufstrebenden Land, das durch seine Durchsetzung von westlichen Kapitalismusvorstellungen seine eigene Kultur verliert, vergisst, ja in den Augen Toru Yoshidas sogar verrät. Seinem Bruder Hideo hingegen scheint nahezu nichts heilig. Er pfeift auf Ehre und andere abstrakte Werte. Für ihn zählen nur die materiellen Werte, weswegen er glaubt, dass er in seiner Kultur bereits alles erreicht hat, wenn er nur die beiden Schwerter besitzt. Gemeinsamkeiten zwischen den Ideologien des Westens und Ostens gibt es aber auch im hemmungslosen Narzissmus und Kad(av)ergehorsam, erkennbar, wenn Ando, Hideos treuer und widerwärtiger Untergebener, sich in die ultimative Auseinandersetzung im Kampf um die Schwerter einmischt und Hideo ihm kurzerhand den Kopf absäbelt. Soweit weiß auch er, was sich gehört.

FH: Rick hat aber auch kein Interesse an oberflächlichen Werten. Er ist ein klassischer Loner, ein Ronin, ein herrenloser Samurai, der eigentlich schon in den USA nicht wirklich zu Hause ist, wie seine Einführung zeigt: Rick verdingt sich als Sparringspartner für einen angehenden Boxchampion, doch die Rolle des bezahlten „guten Verlierers“ behagt ihm nicht, zumal er der Bessere ist. Also scheißt er auf das Geld und schlägt seinen Kontrahenten nieder. Und genau diese Entscheidung führt dann ja auch dazu, dass er schließlich von den Yoshidas ausgewählt wird… Nach seiner Ankunft in Japan ist der sich sehr streetwise gebende Held dann aber völlig desorientiert. Das verdeutlicht nicht zuletzt seine mit entfesselter Kamera gefilmte Flucht vor Hideos Häschern über einen japanischen Markt, bei der immer wieder hektisch über die ausgelegten exotischen Waren geschwenkt wird, sodass diese in einer absoluten Bilderflut ineinander verschwimmen. Rick durchlebt eine kurzzeitige Schwächephase, sowohl körperlich – er wird schwer verwundet – als auch geistig: Denn zunächst entscheidet er sich dazu, dem bösen Hideo zu helfen, damit er schnell zurück in die Staaten reisen kann. Sein Verrat – Torus Familie hatte ihn freundlich aufgenommen und gesund gepflegt – wird auf japanische Art geahndet. Im spektakulären piece de resistance des Films wird Rick bis zum Kinn eingegraben und mehrere Tage ohne Wasser und Nahrung allein gelassen, bis er schließlich im Delirium umherkrabbelnde Käfer verschlingt. Erst nach dieser Läuterung beschließt er, der Familie im Kampf beizustehen.

A: Natürlich hält er es genau so lange in der Grube aus wie der Großmeister, womit mal wieder darauf verwiesen wird, dass auch jeder caucasian in der Lage ist, dem Druck einer solchen Ausbildung standzuhalten. Rick ist in einer fremden Welt, die jedoch mehr sein Inneres anspricht, als seine Heimat. Das erkennt er allerdings erst im Schoße der Yoshida-Familie und auch erst nach den üblichen Initiationsriten. Hier funktioniert inszenatorisch nun überhaupt nichts mehr, denn es gelingt Frankenheimer nicht, die im Drehbuch durchaus vorhandenen Psychologisierungen transparent zu machen. Rick will nur seine Kohle von der Yoshida-Familie und dann so schnell wie möglich zurück nach Hause. Dann erklärt er sich wieder bereit, seine Retter für Geld reinzulegen, als Hideos Handlanger Ando ihm auf die Pelle rückt. Als er dann die Chance hat, das Schwert zu stehlen, bekommt er den moralischen Rappel und will plötzlich sein ganzes Leben umkrempeln und ein Krieger im Sinne der alten Werte werden. Hier werden wieder die Parallelen zu SHOGUN offensichtlich, doch hatte man da mehr Zeit, diese Stränge zu erzählen und entsprechend zusammenzuführen. Rick macht die Wandlung zu einem höheren Bewusstsein durch und findet so zu sich selbst. Leider muss man sich dies aufgrund der teilweise als lustlos zu bezeichnenden Regie eher enträtseln, als dass Frankenheimer diese Aspekte tatsächlich herausarbeiten würde. Er schien mit der Geschichte wohl nur bedingt etwas anfangen zu können ...

FH: Ja, Frankenheimer kratzt nur an der Oberfläche dessen, was Sayles’ Drehbuch an Potenzial geboten hätte, die Charakterisierung Ricks bleibt holzschnittartig. Und dabei ist sein Charakter nun wahrlich kein zweiter Hamlet, man fragt sich, was Frankenheimer daran so schwer fiel. Es scheint einiges für deine Vermutung zu sprechen, dass er selbst nicht so recht wusste, was er mit Sayles’ Stoff machen sollte. Vielleicht liegt das Problem aber auch bei Scott Glenn, denn der kommt von Anfang an so autark daher, dass es schwerfällt, mit ihm in irgendeiner Weise zu sympathisieren. In Michael Manns famosem DIE UNHEIMLICHE MACHT spielt er ja passenderweise auch ein überirdisches Götterwesen fernab jeglicher menschlicher Emotionen.

A: Zu Frankenheimer kann ich noch sagen, dass er bei den meisten seiner Arbeiten schon das Musterbeispiel für die amerikanisch-unsichtbare Regie geliefert hat. So auch hier. Der Vorteil bei so einer auf rein technischer Perfektion setzenden Inszenierung ist, dass auf inhaltlicher Ebene kein Abwiegen erfolgt, wer denn nun die bessere Ideologie auf Lager hat. Die Regie bleibt angenehm distanziert. Schön zu sehen wenn Rick im Finale das Maschinengewehr schwingt, während Toru klassisch mit dem Schwert kämpft. Erst im Endkampf gegen Hideo greift Rick wieder vollständig zu den traditionellen Waffen.

FH: Auch in diesem Finale spiegelt sich die erwähnte Dichotomie: Denn ist der ganze Film eher ruhig, so treibt der finale Kampf das Adrenalin endlich einmal in die Höhe. Zusammen stürmen Toru und Rick das beinahe monolithische Firmengebäude Hideos, bis sie diesem in einem Duell gegenüberstehen. Es liegt dann schließlich an Rick, den Schurken zur Strecke zu bringen. Und wie er das vollbringt, ist mit „brachial“ wohl am treffendsten umschrieben. Insgesamt ist WENN ER IN DIE HÖLLE WILL ... jedoch merkwürdig unentschlossen: Die vielfältigen Möglichkeiten werden fahrlässig zu Gunsten von gängigen und griffigen Inszenierungsklischees fallen gelassen. An einem No-Bullshit-Actionfilm scheint Frankenheimer aber auch nichts gelegen zu haben. Der Anglophone kennt für die Atmosphäre von WENN ER IN DIE HÖLLE WILL ... das schöne Wörtchen „bleak“. Und das macht ihn dann auch – abgesehen davon, dass er einen maßgeblichen Beitrag zum Asien-Subgenre darstellt – im Kontext der Eighties-Action wieder ziemlich interessant.

A: Genau diese trostlose Stimmung in Kombination mit dem abrupten Umschwenken der Kamera, nachdem Rick vor seinem Meister auf die Knie fällt und ihm die Schwerter präsentiert, lässt noch etwas anderes durchschimmern: Der Geist der alten Traditionen hat es noch einmal geschafft, einen Sieg zu erringen, aber in diesem High-Tech-Gebäude Hideos wirken sie deplatziert und verloren. Sie haben eine (ihre letzte?) Schlacht gewonnen, aber den Krieg schon lange verloren.

FH: Und genau in diesem wehmütigen Blick zurück zeigt sich die Sonderstellung des Films: Denn diese Melancholie verbindet WENN ER IN DIE HÖLLE WILL ... mit den klassischen asiatischen Schwertkampffilmen, ob sie nun aus China/Hongkong oder Japan kommen. Das finde ich für eine US-Produktion, gerade für eine der fortschrittsgeilen Achtziger, schon ziemlich beachtlich. Vielleicht lassen sich so auch einige vermeintliche Schwächen erklären: Frankenheimer hat einen asiatischen Film im Gewand des US-Actioners gedreht, inklusive der fast ausschließlich aus Japan stammenden Crew. Und wahrscheinlich lässt sich das eine nicht in das andere übertragen, ohne dass etwas Entscheidendes flöten geht. Trotzdem, da bleibt immerhin dieser unendlich geile deutsche Titel ...