Mittwoch, Mai 31, 2006

Man soll die Leichen zählen wie sie fallen

Eine schöne Idee hatte der Urheber diesesVideos, in dem man sich in gemütlichen 21 Minuten alle Bronson-Morde aus der DEATH-WISH-Reihe am Stück ansehen kann. Man kann seine Zeit schlechter verbringen ...

Dienstag, Mai 30, 2006

9/11 war gestern ...

Death Wish 3 – Der Rächer von New York (Death Wish 3)
USA 1985
Regie: Michael Winner, Drehbuch: Brian Garfield & Don Jakoby, Kamera: John Stanier, Schnitt: Michael Winner (als Arnold Crust), Musik: Jimmy Page, Darsteller: Charles Bronson (Paul Kersey), Deborah Raffin (Kathryn Davis), Ed Lauter (Richard S. Shriker), Martin Balsam (Bennett), Gavan O’Herlihy (Fraker), Kirk Tylor (Giggler), Alex Winter (Hermosa)

Synopsis: Paul Kersey kehrt zurück nach New York, um dort seinen alten Freund Charley zu besuchen. Doch dieser wird von marodierenden Bandenmitgliedern ermordet, bevor Kersey bei ihm eintrifft. Am Tatort wird Kersey von der Polizei als Tatverdächtiger verhaftet. Der Polizist Shriker, der dem Verbrechen machtlos gegenübersteht, erkennt Kersey als den Vigilanten von einst und gibt ihm den Auftrag, in New York ordentlich aufzuräumen.

FUNKHUNDD: DEATH WISH 3 ist ja eigentlich ein Film, der die Intention unseres Blogs völlig zunichte macht: mit diesem Film hat sich die Eighties-Action quasi selbst rechts überholt, weil hier alles soviel deutlicher gesagt wird, als es überhaupt denkbar ist. DEATH WISH 3 ist so etwas wie die Apotheose des Selbstjustiz- und reaktionären Actionfilms.



DER AUSSENSEITER: Bei den letzten fünf Sichtungen glaubte ich, dass die Luft raus sei, der Film könne mir nichts mehr bieten. Doch jetzt hatte ich das Gefühl, den Film wieder so sehen zu können wie ihn das Publikum von 1985 gesehen hatte: als ernsten Actionkrimi, der die Verhältnisse leicht überspitzt. Ich erinnere mich dunkel an eine zeitgenössische Kritik, die dem Film schon damals vorwarf, er kreiere ein apokalyptisches Endzeitszenario, aber funktioniere aufgrund der Übertreibungen nicht mal als social fiction. Anhand dessen erkennt man, dass sich überhaupt mit den Unglaublichkeiten der Geschichte auseinandergesetzt wurde.

FH: Als social fiction konnte man den ersten Teil der Serie ja durchaus sehen, weil sich Michael Winner noch die Mühe machte, das Thema der Selbstjustiz glaubwürdig zu etablieren, indem er den Wandel des friedlichen bürgerlichen Familienvaters Kersey hin zum Vigilanten nachvollziehbar machte. Der Schmerz, der ihm und seiner Familie zugefügt wird, wird auch für den Zuschauer fühlbar gemacht und somit auch der Wunsch nach Rache. In DEATH WISH 3 scheißt Winner einfach auf alles: Die Bösen gehören plattgemacht und man muss sich auch nicht mehr schämen oder schuldig fühlen, wenn man dem Gesetz auf die Sprünge hilft. Selbst die Polizei fungiert nicht mehr nur als Mitwisser, sondern als Auftraggeber!

A: Dennoch wurde der Film seinerzeit ernster rezipiert als dies heutzutage möglich wäre. Man glaubte einfach, der Big Apple bräuchte nur noch ein paar Jahre damit es dort so aussähe wie im Film geschildert. Bei heutiger Betrachtung kann man sich nur noch durch Gelächter vor dem Wahnsinn schützen, der einem geboten wird ...

FH: Das fängt schon mit Kersey an: Der wird nur noch als Rächer charakterisiert – was anderes kann er gar nicht –, dabei war er ja mal Architekt! Er hat wirklich einen ziemlichen Abstieg hinter sich, da überschneiden sich die Karrieren Kerseys und Bronsons. Kersey mischt sich unter dem Namen „Kimble“ in die Stadt, als „unschuldig Verfolgter“, um einen Freund zu besuchen, der pünktlich zu seiner Ankunft ermordet wird. Das soll wohl als ausreichende Motivation für den späteren Amoklauf fungieren, tatsächlich wäre das nicht nötig gewesen. Denn einmal festgenommen, lässt sich Kersey schneller zum Vigilanten-Comeback überzeugen als Rambo braucht, um sein Stirnband zu binden. Er taugt hier wirklich zu nichts anderem mehr als zum Töten.

A: Die Art und Weise wie Bronson seinen Kersey hier, ähhh…, na ja…, schauspielerisch anlegt, wirkt so als habe er versucht die Figur zu „terminatorisieren“. Wobei dies der Figur des Terminators unrecht tun würde, da diese wesentlich menschlicher und lebhafter erscheint als Paul Kersey. Die Szene, in der Kersey ein Messer in den Rücken bekommt und sich dies lapidar herauszieht, weil ihn die kugelsichere Weste unter seiner Jacke geschützt hat, hätte auch ohne die Weste funktioniert. Es hätte den Zuschauer nicht mehr verwundert, wenn Kersey solche Verletzungen einfach so wegsteckt. Überhaupt schien Bronson sich in dieser schwarzen Kunstlederjacke zu gefallen, da er die auch noch in diversen anderen Cannon-Produktionen dieser Zeit trägt.

FH: Kersey ist ein amoklaufender Spießer: Er weiß die Vorzüge deftiger Hausmannskost (gefülltes Kraut, Hühnerfrikassee, Gulasch) zu schätzen, kauft sich gern mal ein Eis im Laden an der Ecke und hat Respekt vor den guten, alten Werten. Das Töten ist für ihn ein Riesenspaß und er konstruiert Situationen, in denen er zur Waffe greifen kann. Die Szene, in der er sich einen Fotoapparat klauen lässt, nur um einen Grund zu haben, den Dieb von hinten zu erschießen, ist für mich der absolute Gipfel der Kaltschnäuzigkeit.

A: Lass uns mal ein Wörtchen über die anderen Figuren verlieren, da scheint Winner nämlich die übliche Klischeekiste nicht gereicht zu haben und deswegen hat er noch etwas tiefer reingegriffen.

FH: Allerdings, der Kontrast zwischen Bürgen und Bösen ist mehr als hart: Die Bösen haben wirklich nichts anders im Sinn als zu quälen, morden, rauben und triezen. Natürlich nehmen sie auch Drogen wie andere Leute Wasser trinken, um so richtig in Fahrt zu kommen. Das wirkt aber alles so albern: Die benehmen sich, als hätten sie sich als Kinder nie richtig austoben können. Ihre Motive bleiben völlig dunkel, sie sind einfach „böse“. Die „Opfer“ pflegen hingegen bürgerliche Traditionen und werden als grundgute einfache Leute gezeichnet. Dass Charley, Kerseys Freund, vollautomatische Feuerwaffen aus dem Krieg mit nach Hause gebracht und in einem Schrank aufbewahrt hat, erscheint jedenfalls niemandem als Problem. Der Krieg wird zum Abenteuer für echte Amerikaner verklärt, wer dort war, war ein guter Junge.

A: In der Sozialpsychologie würde man sagen, eine klassische In-Group-/Out-Group-Skizzierung. Man braucht eine funktionierende innere Gruppe, die Normalos, und hat die Bestien der Feindesgruppe, die man kalt machen muss. Doch bei all den Gräueltaten, die von Oberbösewicht Fraker und seinen Leuten begangen werden, bleibt der Film himmelschreiend naiv, da können noch so viele Frauen vergewaltigt, Omis mit durchtrennter Kehle oder abgewrackte Junkies gezeigt werden. Der Film wird nicht durch seine Bösewichter böse, sondern durch Kersey. Schließlich bricht er moralisch gesehen das Gesetz noch heftiger als die Anderen: Er weiß nämlich genau was er tut.



FH: Und er tötet nicht für Geld. Die Punks nehmen ja wenigstens alibimäßig hier und da mal einen Fernseher mit – was natürlich für den Amerikaner gleichbedeutend mit Mord ist ... Schön fand ich auch, dass Winner noch ein love interest einführt, nur damit Kersey NOCH ein Motiv hat, um zu killen, als die bösen Buben sie über die Klinge springen lassen. Ehrlich, Kersey ist vom Aggressionslevel her doch eh schon jenseits aller Messbarkeit, wozu das alles?

A: Zum einen wird hier natürlich der Genrekonvention gefolgt (siehe RAMBO II – DER AUFTRAG, wo Johnny erst dann wirklich böse wird, als Ko, die Frau in die er sich verliebt, getötet wird), zum anderen ist das ein bekanntes Motiv aus der Evolutionspsychologie. Der wirkliche Rachemotor kommt bei einem Mann erst dann in Gang, wenn die eigene Frau getötet wird. Selbst ein Kind wurde in den Tagen der Jäger und Sammler bereitwilliger aufgegeben als die eigene Frau. Sie konnte schließlich als Gebärmaschine weiter funktionieren. Der love interest in Form der Anwältin hätte Kersey ja sogar fast überzeugt einfach abzuhauen, das Viertel im Stich zu lassen. Dass aber ebendiese Schweine ihm sein Weibchen nehmen ist der endgültige Grund zum Vernichten des Gegners.



FH: Eine Beobachtung, die auch gleich zum Finale führt, in dem Kersey unterstützt von den aufgewiegelten Bürgern durch die Straßen zieht und alles niedermäht, was alberne Kleidung trägt. Das ist wirklich nicht mehr zu toppen. Wenn die „einfachen Leute“ Kersey zujubeln, wie er Strauchdieben, Schwerenötern und anderen Halunken den Garaus macht, nur um dann schließlich wie bei einem großen Volksfest mitzumachen, muss man schon ein paar Mal schlucken, wenn einem an der Demokratie etwas liegt.

A: … nicht zu vergessen der kleine farbige Junge, der ihm zujubelt und offensichtlich hinter einem Zaunpfahl wohnt. Die Volksfeststimmung bei den Erschießungen der Creeps hat mir endgültig das Gefühl gegeben, einen kranken Film zu sehen. Da kann kein Asia-Kino mithalten.

FH: Es ist als wollte Winner sagen: Beim ersten Mal wollte ich euch noch mit Argumenten überzeugen, jetzt will ich euch zeigen, dass es Spaß macht, zu morden! Es steckt ein gehöriges Maß an Verzweiflung und Resignation in DEATH WISH 3. Die Szenerie erinnert auch an einen düsteren Zukunftswestern: Der ganze Film spielt sich an einer staubigen Straßenkreuzung ab, an der die Bürger wie Ameisen flanieren, wenn sie nicht von den allgegenwärtigen Gangmitgliedern schikaniert werden, die sich mit ihrer Kriegsbemalung als moderne Indianer zu erkennen geben. Es herrscht totale Anarchie und man fragt sich, warum dort noch jemand wohnen will. In der Reduzierung auf eine Kreuzung hat der Film etwas sehr theaterhaftes. A world in a nutshell, sozusagen…

A: … und die scheint nur aus Gewalt zu bestehen. Die Bilder, die noch während des Abspanns weiterlaufen, zeigen ein völlig zerstörtes Belmont, NY, mit brennenden Häusern, ausgeschlachteten Autos und jeder Menge Leichen. Dieses Schlussbild könnte auch gut und gerne als Inbegriff einer biblischen Apokalypse gesehen werden, die über die Stadt hereingebrochen ist. Allerdings ist es die Apokalypse wie sie sich nur ein Anarcho-Spießer wie Michael Winner vorstellen kann. Die Spießigkeit des ganzen Filmes ist deshalb so eklatant, weil ohne sie die Geschichte nicht funktionieren würde. Die „braven“ Bürger des Films müssen in diesem Ghetto wohnen bleiben, weil sie hoffen, dass es doch ein Leben ohne Verbrecher geben kann. Gleichzeitig dienen sie den Bösewichtern als Melkkühe, die sie deshalb nicht alle schlachten dürfen. Trotz dieser übertrieben anarchistischen Untergangsvision schwebt über allem der Glaube, alles wieder in geregelte Bahnen überführen zu können.

FH: Was absurd ist: Wohin rennen die ganzen Punks denn am Schluss, als Fraker tot ist? Ins Kloster? Ausbildungsplätze suchen? Auffällig ist auch: Je mehr die Ausgangssituation überspitzt wird - das Viertel, das Kersey bezieht, gleicht einem Kriegsgebiet, es herrschen überhaupt keine Gesetze mehr – umso mehr wird die Gewalt bagatellisiert: Fieser Humor schleicht sich in das Geschehen ein, das Abknallen von Punks wird zum großen Spaß.

A: Als hätten sich ein paar Stammtischbrüder erhoben, die jetzt mal zeigen wollen wo’s lang geht.



FH: Und: Die Verhältnismäßigkeit ist überhaupt nicht mehr gegeben. Die „Auge um Auge“-Ideologie des Originals wird hier durch pure Mordlust ersetzt: Kersey schreitet mit immer größeren Kalibern zur Tat, der Wunsch nach angemessener Bestrafung ist längst der Lust am Massaker gewichen. Das kulminiert dann darin, dass der Oberböse Fraker am Ende mit einer Panzerfaust sprichwörtlich „vernichtet“ wird.

A: Das Böse, das er anderen angetan hat, kommt tausendfach auf ihn zurück. Es steht für mich völlig außer Frage: DEATH WISH III – DER RÄCHER VON NEW YORK ist, nicht zuletzt durch sein Scheitern, alle Widersprüche in Einklang zu bringen, ein Meisterwerk!

FH: Oh ja ...

Sonntag, Mai 28, 2006

ROAD HOUSE 2

Runde 17 Jahre nach dem sehr liebenswerten ROAD HOUSE mit Patrick Swayze hat sich jemand erbarmt und ein Direct-to-Video-Sequel produziert: Der geschätzte Vern (siehe auch Link rechts) weiß auf gewohnt unnachahmliche Art darüber zu berichten. Und zwar hier. Viel Spaß!

Damals, auf dem C64 ...


Auf der Suche nach Bildern für unseren nächsten Eintrag zu DEATH WISH 3 stieß ich auf einige schöne Screenshots des C64-Games, die noch einmal besonders deutlich machen, welchen Bekanntheitsgrad der Film einst hatte.


Dass sich ein Kinderspielzeug dem gnadenlosen Vigilanten widmete und einen per Joystick zum fröhlichen Töten von Gesindel und Kroppzeuch einlud, passt in Sachen Marketing ausgezeichnet zum Film. Da sollte wohl die Nachfolge tötungserprobter Vigilanten gesichert werden ...



Das Spiel war aber trotzdem toll, wenn die abgeknallten Bösen zu mäßig animiertem Blutmatsch geronnen. Und dem Versprechen "You are Bronson ..." ist ja auch nur schwer zu widerstehen ...

Donnerstag, Mai 25, 2006

Vorschau auf Kommendes

So geht's demnächst weiter ...

Dienstag, Mai 23, 2006

Ausflug nach Beirut

Delta Force (The Delta Force)
USA/Israel 1986
Regie: Menahem Golan, Drehbuch: James Bruner & Menahem Golan, Kamera: David Gurfinkel, Schnitt: Alain Jakubowicz, Musik: Alan Silvestri, Darsteller: Chuck Norris (Maj. Scott McCoy), Lee Marvin (Col. Nick Alexander), Robert Forster (Abdul), Martin Balsam (Ben Kaplan), Shelley Winters (Edie Kaplan), George Kennedy (Father O’Malley), Steve James (Bobby), Hanna Schygulla, Lainie Kazan, Bo Svenson, Susan Strasberg, Joey Bishop, Robert Vaughn

Synopsis: Der Flug 282 der Linie American Travel Ways gelangt in die Hände arabischer Terroristen und wird nach Beirut entführt. Da sich an Bord der Maschine auch jüdische Passagiere befinden, will man ein Exempel statuieren und separiert diese von den übrigen amerikanischen Geiseln. Die Delta Force, eine Spezialeinheit unter dem Kommando von Col. Nick Alexander (Lee Marvin), soll die Entführten raushauen und klar Schiff mit den bösen Terroristen machen.

FUNKHUNDD:Actiongülle goes großes Drama! Was sofort auffällt: DELTA FORCE ist kein reiner Actioner. Die erste Hälfte des 130-Minuten-Films weckt Erinnerungen an den Katastrophenfilm der 70er. Demgegenüber wird der Einsatz der Delta Force zunächst gar nicht als no holds barred Actionspektakel geschildert, sondern eher im Stile der realistischen Agenten- und Militärthriller der 70er.

DER AUSSENSEITER: Mit seinen Anspielungen auf die Flugzeugentführung von 1985 (inklusive der damals in den Medien schockierenden Szene mit der toten Geisel, die aus dem Flugzeug geworfen wurde) könnte man ihn auch als Trittbrettfahrerfilm bezeichnen. In seinen melodramatischen Strukturen erinnert er an Bureka-Filme, israelische formula movies der 50er- bis 70er-Jahre, vergleichbar etwa mit dem Bollywood-Kino, die von burlesker Komödie, herzzerreißendem Melodram, packenden Krimi bis zum explosiven Actionfilm alle möglichen Genres vermischen. Golan hat diverse davon in den 60er und 70er Jahren produziert, kennt sich somit mit den inszenatorischen Finessen bestens aus, weswegen der Film in seinen Melodramzügen trotz aller Übertreibung funktioniert.

FH: Ja, ich muss peinlicherweise eingestehen, dass der melodramatische Teil des Films bei mir seine Wirkung nicht verfehlt hat. Golan überrumpelt einen in der ersten Hälfte des Films förmlich. Der Antisemitismus-Subplot ist jedoch hartes Brot und voller ekelhaftem Verve und Pathos. Die Szene, in der die deutsche Stewardess (Hanna Schygulla) aufgefordert wird, die jüdischen Passagiere „auszusortieren“ ist hier sicher der Gipfel. „Don’t you see I’m German?“ Ich bin mir hier nicht sicher, ob ich Golan diese Sequenz als Ernst gemeinten persönlichen Beitrag abnehmen soll oder das in diesem Rahmen als geschmackloses Shoa-Business bewerten muss. Der klebrig triefende Silvestri-Score macht es nicht besser, sondern instrumentalisiert die reale Tragik des Holocaust zur schlichten Effekthascherei.

A: Oh ja, das Drama mit dieser furchtbaren synthetischen Musik hat bei mir auch reingehauen. Vor allem als die ewig verschwitzten Terroristen das Flugzeug in ihre Gewalt bringen, kommt durch die suggestive Handkamera ein gewisses Maß an Realismus auf. Die Schygulla-Szene allerdings ist unglaubwürdig und arg stereotyp.



FH: Demgegenüber steht Chuck Norris: Seine Präsenz allein macht deutlich, worauf das alles hinausläuft. Norris infiltriert als McCoy nicht nur den Libanon, sondern auch die ganze Struktur des Films. Spätestens als er mit einem markanten „Sleep tight, sucker!“ einen Terroristen exekutiert, der sich hinterfotzigerweise unter einem Bett versteckt hat, kippt der Film völlig vom „ernsten“ Militär-Thriller zum totalen Actionspektakel. Plötzlich gibt es nichts Schöneres mehr, als Terroristen anzuzünden, niederzumähen oder in die Luft zu jagen. Alles ist wieder beim alten.



A: Aber Golan stellt die Delta Force immer über die individualisierte Charakterzeichnung des Einzelkämpfers. Norris hat natürlich seine Szenen, aber das erscheint mir fast wie ein Kompromiss, der an die Sehgewohnheiten und die Identifikationssuche des Zuschauers gemacht wird. McCoy ist zwar der für die Gruppe wichtige Einzelkämpfer, der aus dem Bauch heraus handelt und auch mal die Regeln beugt, aber er findet immer wieder seinen Platz zurück zur Gemeinschaft der militärischen Vereinigung. Es liegt vielleicht an dieser sparsamen Charakterisierung, dass er mir einfach nicht genug rohe Gewalt transportiert. Er wirkt zu glatt und nicht kantig genug. Norris’ Figur funktioniert mir hier zu sehr als Erfüllungsgehilfe des Militärs. Deswegen würden wir Rambo ja auch lieber in einem außermilitärischen Einsatz zusehen als bei seiner Arbeit in Vietnam. Das Pathos will sich bei mir, trotz manch großer Szene, nur bedingt einstellen. Überhaupt nimmt sich die Stimmung für eine Produktion der Cannon im Film geradezu aseptisch aus. Golans Film unterscheidet sich von den vielen Actonfilmen um völlig auf sich gestellte Helden – siehe etwa RAMBO II – DER AUFTRAG, wo Rambo erst dann so richtig aufdreht, als er auf eigene Rechnung arbeitet. Das ist es, warum Golan den Film so betitelt hat und dies auch in einer der pathetischsten Szenen Ausdruck findet: „Es sind unsere Jungs da draußen, es sind Amerikaner, es ist die Delta Force!“

FH: Du hast Recht, Golans Film scheitert an seiner Unentschlossenheit: „realistische“ Militärarbeit auf der einen, One-Man-Army-Actionkrawall auf der anderen. Darunter leidet dann die Figur von Norris: Als Actionheld hat er nicht genug markante Szenen, als realistische Soldatenfigur ist er zu übertrieben. Es ist gerade mal eine Szene, die ihn als Zivilisten und „normalen“ Menschen zeigt. Dass er überhaupt so etwas wie ein Innenleben hat, soll dadurch gezeigt werden, dass er in der ersten Szene den Dienst quittiert. Das verpufft völlig, weil er in der nächsten Szene sofort wieder bei der Delta Force einsteigt, als wäre er nur mal kurz auf dem Klo gewesen. Obwohl er als Vollblutkämpfer dargestellt wird, steckt keine echte Leidenschaft in ihm. Auf einer Seite im Web stand, dem Film fehlten die novelty deaths; das ist genau das: Da ist zu wenig Kreativität am Werk, zuviel langweilige und gelangweilte Präzisionsarbeit – sowohl aufseiten der Figur Norris' als auch aufseiten der Macher.

A: Es gibt aber ein paar ikonographische Bilder, die das Gegenteil aussagen, etwa die Motorradszene bei Sonnenaufgang ...



FH: ... überhaupt das Motorrad mit den Raketen- und Granatwerfern – kompletter Irrsinn! Aber lass uns mal zu den Bösen kommen! Wieder genau dasselbe Problem: Auf der einen Seite das Bemühen um Authentizität und Differenziertheit – sie stehen unter massivem Stress, einer von ihnen erwähnt seine kleine Tochter und die Freunde, die er bei einem Bombenangriff verloren hat –, am Ende dann doch der Griff in die Kiste mit den Actionfilmklischees.

A: Eben da kommt wieder die Reißbrettinszenierung des Bureka-Genres durch, in dem Araber oftmals als Bösewichter hingestellt wurden. Golan gibt sich den Anschein, über so etwas hinaus zu sein, wird dann aber doch Opfer seiner eigenen Strukturen. Ich fand es aber immer bemerkenswert, wie Golan die Tonspur nutzt, um die Terroristen als Untermenschen darzustellen: schweres Keuchen, tierartige Grunzlaute; sehr dezent eingesetzt, aber in Kombination mit den ewig verschwitzten Hemden ebenso wirkungsvoll. Was für ein Resümee würdest Du ziehen?

FH: Ein Fazit? Nun, ich finde den Film gerade aufgrund seiner Janusköpfigkeit interessant. Allerdings lässt diese ihn auch scheitern. Golan verkauft seine vorgetäuschten Ambitionen im Schlussdrittel völlig. Dieser Stilbruch macht den Film problematisch. „Reales“ Drama wird zugunsten wilder Klopperei und Starker-Männer-Fantasien verkauft.

A: Und der Film hat wohl vor allem in heutigen Tagen wieder einiges an thematischem Zündstoff parat ...